Reviews and Comments

Béla Goertz

belago@books.theunseen.city

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Mandelduft. (Hardcover, 1998, Aufbau-Verlag) 4 stars

Ohne Zynismus und ach-so-cleveren Sarkasmus

4 stars

Reinerová schreibt über Haft, Exil, Krankheit, Krieg, Holocaust. Trotz des unvorstellbaren Leids, das ihre Familie und sie durchleben mussten, demonstriert Reinerová hier eine gutseelige Aufrichtigkeit ohne irgendeinen Zynismus oder ach-so-cleveren Sarkasmus. Reinerová scheint aus Prinzip das Leben und ihre Umgebung zu bejahen und das ist erfrischend und inspirierend. Oft scheinen sich die Geschichten zu verlaufen oder verlieren sich in menschlichen Situationen, die bei Reinerová mehr Interesse ausgelöst haben müssen als bei mir - was womöglich ein Zeichen ihrer Weisheit ist, an der es mir mangelt. Ein so schonungslos positiver Blick auf das Gewöhnliche muss vielleicht geübt sein...

Spielen (Hardcover, 2013, Luchterhand Literaturverlag) 3 stars

Angst und Gelaber

3 stars

Wie kann man einen so dicken, autofiktiven Roman über die eigene Kindheit schreiben ohne zu labern? Geht nicht. Aber nicht zu labern gelang Knausgard auch in "Sterben" und "Lieben" nicht. Der Appeal dieser Bücher liegt nicht in Spannungsbögen sondern im Voyeurismus, der Selbstidentifikation und dem parasozialen Gefühl einen Menschen sehr tiefgehend kennenzulernen. Knausgard wiederholt zum Beispiel wieder und wieder auf welche Weisen sein Vater ihn emotional missbraucht und fertig gemacht hat, aber erst dadurch entfacht es diese gewisse Wirkung. Erst dadurch bekommt man beim Lesen bereits Angst, wenn beschrieben wird, wie sich seine Schritte seinem Zimmer nähern. Das Buch endet leider schwächer als es beginnt, denn wieder und wieder die Lustfantasien eines dreizehnjährigen zu lesen, hat keinen ähnlich intensivierenden Effekt. Und auch wenn Knausgard selten in eine direkte Wertung geht, scheint er die sexualisierten Übergriffe auf Mitschülerinnen, die er mit seinen Freunden brachte irgendwie als Teil der sexuellen Frühentwicklung zu …

Aufruhr der Meerestiere (German language) 4 stars

Tier gewordener Ego-Tod

4 stars

Die Meerwalnuss ist eine Art der Rippenquallen, die für die High-Performerin und Biologin Luise nicht nur Forschungsobjekt ist sondern auch verkörpert, was sie eigentlich will: Nähe und Zugehörigkeit. Gammilscheg beschreibt die Menschen (so auch Luise) immer als gefangen in einer unangenehmen Haut, während sich die Meerwalnuss kaum von ihrer Umgebung oder anderen Artgenossen abgrenzt: der Tier gewordene Ego-Tod, dem Luise widersprüchlich begegnet. Sie empfindet eine Sehnsucht danach, aber bleibt so oft kühl und distanziert und minimiert Abhängigkieten und soziale Bindung. Ein Buch, in dem expressionistische Sequenzen, Träume, Erinnerungen, Geschichten und der eigentliche Handlungsbogen fiebrig verschmelzen.

Die erste Kolonne (German language, 1954, Aufbau-Verlag) 2 stars

Kameraden zum Schuften und Saufen

2 stars

Es wirkt als hätte Čapek mit diesem Buch Ironie und Sarkasmus hinter sich lassen wollen, um etwas aufrichtiges zu schaffen. Zu Beginn liest es sich noch wie eine Satire, wie sich der gut gebildete und junge Stanislav in einer Kohlemine wiederfindet und mit seinen Tagräumen versucht sich selbst zu versichern, dass er etwas besseres als seine Kollegen ist und dabei schlägt jeder Versuch sich wichtig zu tun doch irgendwie fehl. Als dann bei einem Grubenunglück drei Arbeiter verschüttet werden, meldet er sich als erster und wird Teil der ersten Rettungskolonne. Und je aufirchtiger das Buch wird, je mehr das Satirische verschwindet, desto mehr ist mein Wohlwollen gekippt, denn das was hier aufrichtig zelebriert wird ist das wenig inspirierende Ideal eines Männerbundes. Männer, die harte körperliche Arbeit mit Gewissenhaftigkeit und Aufopferung erledigen, Helden sind und dabei jedes Heldentum leugnen und abends zusammen saufen gehen - Frauen sind ganz explizit unerwünscht. Die …